Zum 80. Geburtstag von Günter Netzer: ‚Ohne Fußball hätten Sie mich zum Teufel gejagt‘ (Retranscripción: Al 80. cumpleaños de Günter Netzer: 'Sin fút

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Zum 80. Geburtstag von Günter Netzer: ‚Ohne Fußball hätte man mich zum Teufel gejagt‘

Am 14. September feiert Günter Netzer, eine Legende des deutschen Fußballs, seinen 80. Geburtstag. Der ehemalige Nationalspieler und langjährige Kapitän der Bundesliga-Mannschaft Borussia Mönchengladbach blickt auf eine beeindruckende Karriere zurück. In einem Interview zurückblickend auf sein Leben, erzählte Netzer, dass Fußball ihn vor einer anderen, vielleicht sogar besseren, Zukunft bewahrt hat. Ohne Fußball hätte man mich zum Teufel gejagt, sagte er mit einem Lächeln. Wir nehmen diesen wichtigen Geburtstag zum Anlass, um auf das Leben und Werk des Fußballidols zurückzublicken.

Zum 80. Geburtstag von Günter Netzer: ‚Ohne Fußball hätten Sie mich zum Teufel gejagt‘

Der Mann mit dem immer noch jungenhaft langen Haarschnitt lächelt so verschmitzt wie die 80 Jahre seines Lebens lang, als er gesteht: „Leise rieselt der Kalk. Doch manchmal benehme ich mich immer noch wie ein kleiner Junge.“

Netzer zum 80.: Der Mann, der sich nie erwachsen werden wollte

Netzer zum 80.: Der Mann, der sich nie erwachsen werden wollte

Er wird fast ernst, als er versichert: „Ich habe frühzeitig gesagt: ‚Ich möchte nie erwachsen werden.‘ Das habe ich mir erhalten. Das ist wunderschön.“

Günter Netzer feiert: Von Fußballstar bis Manager und TV-Kult

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Der Fußball ist meine Lebensschule: Günter Netzer auf seinem 80. Geburtstag

Jahre alt und noch immer jung: Günter Netzer über seine Karriere und Privatleben

Jahre alt und noch immer jung: Günter Netzer über seine Karriere und Privatleben

„Ich bin froh, wenn ich geradeaus gehen kann, war froh, als die Tortur endlich vorbei war. Ich habe mir am Schluss gewünscht, dass meine Achillessehne endlich reißt, damit meine Schmerzen aufhören. Der Rücken, die Wirbelsäule, das Knie – da ist nichts mehr intakt.“

Doch es liegt ihm fern zu klagen. „Ich jammere nicht, weil ein Hochleistungssportler keinen Anspruch auf Schmerzfreiheit hat. Man kann nicht erwarten, und das tu ich bei Weitem nicht, dass man in derselben Verfassung ist wie in jungen Jahren. Der Verschleiß ist der Preis, den man dafür bezahlen muss. Doch der Fußball ist eine wunderbare Lebensschule. Wer da gut aufgepasst hat, ist gerüstet für die wichtigen Dinge im Leben. Dazu gehört die Akzeptanz, dies zu ertragen. Einstellung und Akzeptanz sind ganz wichtige Begriffe in meinem Leben geworden.“

Der Spieler, den man noch nie genug hören wollte

Der Spieler, den man noch nie genug hören wollte

Ja, es ist wirklich Günter Netzer, der hier spricht wie ein Philosoph. Der erste schillernde Playboy der Bundesliga, mit 50-Meter-Pässen wie am Lineal gezogen.

„Gott sei Dank habe ich den Ball getroffen. Das war meine Eintrittskarte in dieses Leben. Wenn nicht, hätten sie mich zum Teufel gejagt.“

Stilvoll: Günter Netzer

Foto: WITTERS

Ja, dieser Netzer, der bestreitet, jemals eine Diva gewesen zu sein. „Ich habe nie selbstsüchtig für die Galerie gespielt, das entspricht nicht meinem Charakter. Die Spieler um mich herum haben sehr gut von mir gelebt. Sie wissen, dass ich ein Kumpel bin, dass ich zur Verfügung stehe. Ich bin der bescheidenste Mensch überhaupt. Das Wort demütig ist aus dem deutschen Sprachgebrauch leider verschwunden. Demut, das ist die höchste Stufe, mit der ich mich ausdrücke.“

Ferrari-Fahrer Netzer

Foto: picture alliance / United Archiv

Ein Leben voller Erinnerungen

Ein Leben voller Erinnerungen

Da hakt Netzer gerne noch mal nach. „Die Leute denken, ich hätte links ein Holzbein gehabt. Ich erinnere nur an dieses Pokalspieltor. Ich habe erstaunlicherweise viele Tore mit dem linken Fuß gemacht.“

Genauso gerne hakt er nach, wenn von einem Netzer die Rede ist, der nicht der Schnellste war.

„Vielleicht auf den ersten Metern. Doch auf 30, 40 Metern Distanz sah das anders aus. Der Einzige, der das erkannt hat, war der Jupp Heynckes (Stürmer in den großen Gladbacher Zeiten; d. Red.). ‚Ihr erzählt, dass der Günter langsam ist. Dabei ist er der Schnellste.‘ Der Jupp war mein wichtigster Anspielpartner. Er war eigentlich besser als der Gerd Müller. Der war zwar ein Phänomen. Phänomene kannst du nicht besiegen, nicht bekämpfen, sie sind einzigartig. Doch fußballerisch war Heynckes der bessere Spieler – den ich gesucht habe, der mich verstanden hat. Das war eine großartige Konstellation. Jupp ist ein großartiger Mensch, hat einen eigenen, guten Charakter. Ein toller Mensch.“

Ein Leben voller Liebe und Leidenschaft

Ein Leben voller Liebe und Leidenschaft

Geht es um glorreiche Gladbacher Zeiten, dann lobt Netzer bevorzugt Berti Vogts („Nicht ich – er war unser wichtigster Spieler“).

Geht es um die Krönung seiner Laufbahn bei Real Madrid (1973 bis 1976), hört Netzer gar nicht mehr auf, von Paul Breitner zu schwärmen.

Er ist gerührt, wenn der Breitner-Satz fällt: „Wenn ich den Günter bei Real Madrid spielen sah, wäre ich manchmal am liebsten stehen geblieben, um ihm zu applaudieren – so großartig, so genial hat er gespielt.“

„Das hat er wirklich gesagt?“, fragt der alte Mann, der urplötzlich jung aussehen kann. „Das ist schön, dass er das sagt. Der Paul war mein Retter in der Not. Wir hatten 1973/74 eine schlechte Saison, die Mannschaft war überaltert, ich hatte Verletzungsprobleme, zeitweise schwebten wir in Abstiegsgefahr. Nach der WM rief mich Santiago Bernabéu in sein Büro. ‚Mein neuer Trainer (Miljan Miljanic) hat eine ganz verrückte Idee, er will Breitner verpflichten‘, sagte er. Worauf ich gleich in den höchsten Tönen geschwärmt habe, welch großartige Idee das sei.“

Jetzt nahm das Gespräch Fahrt auf. „Bernabéu hat in seine Tasche gegriffen, holte aus der linken Seite ein Foto, das Breitner mit Mao Tse Tung zeigt. ‚Nein, nein, er ist kein Revolutionär, kein Maoist‘, sagte ich. Da greift er in die rechte Tasche, knallt mir ein Foto auf den Tisch: Paul mit Che Guevara. ‚Das geht hier nicht gut‘, sagte er. Spanien war noch in der Zeit von Diktator Franco. ‚Um Gottes willen, nein‘, entgegnete ich. ‚Paul ist auch kein Anhänger von Che Guevara.‘ ‚Garantieren Sie mir für den, dass es hier keinen Ärger gibt?‘ ‚Selbstverständlich mache ich das. Ich liebe den Paul, er ist ein toller Charakter. Und ein guter Mensch.‘“

„Er ist nutzlos“

Frecher Spruch von Bellingham-Bruder

01:15

Quelle: BILD / YouTube

@JudeBellingham

14.09.2024

Netzer atmet tief durch. „Manchmal hätte ich mir gewünscht, diese Garantie nicht übernommen zu haben.“ Und lacht.

Am Ende kam es so, dass Netzer für Breitner den Vertrag gemacht hat. „Ich habe mehr für ihn verlangt, als ich persönlich gekriegt habe. Bernabéu sagte: ‚Keiner verdient hier mehr als du.‘ Er meinte das ernst. Am Ende hat der Paul 25 000 Mark weniger bekommen, und ich war höchst begeistert, dass der Paul das autorisiert hat. Anschließend war ich das große Kind im Hause der Breitners.“

Netzer spielte mit den Töchtern („Das hat mir innere Ruhe gegeben“), führte den zähnefletschenden Boxer-Hund Gassi (Netzer gehorchte er), schlief sogar bei den Breitners, obwohl Bernabéu für ihn das Hotelzimmer der Club-Legende Alfredo Di Stéfano reserviert hatte – eine größere Ehre geht kaum.

Kritisch wurde es nur, wenn Hilde, die Frau von Breitner, eine Salzburgerin, so richtig aufkochte. „Hilde hat mich versorgt in einem Maße … Wir mussten uns am nächsten Morgen immer auf die Waage stellen, das war eine mittelprächtige Katastrophe.“

Dennoch erlebte Netzer die beste Saison seiner Laufbahn. Gescheucht von Miljanics Co-Trainer, einem 1500-Meter-Läufer, wurde Netzer zum Konditionswunder, „auch wenn mich das zehn Jahre meines Lebens gekostet hat“.

Eine Karriere voller Erfolg

Eine Karriere voller Erfolg

Mit Gerhard Delling bildete Netzer jahrelang ein geniales TV-Duo

Foto: WITTERS

Wenn Netzer so aus seinem reichen Leben erzählt – man möchte nicht aufhören zuzuhören. „Ich habe ja auch drei Leben geführt“, sagt er und blickt, fast verliebt wie am ersten Tag, auf Elvira, das Ex-Model, das bis heute zuständig ist für jedes Hemd, jeden Pullover, jede Socke, jedes Paar Schuhe, das er trägt. Und wehe, Günter brachte – alles war streng durchnummeriert – vor Auftritten im TV etwas durcheinander. Da bekam er Vorwürfe in einem Ton „als ginge die Welt unter. Sie hat mir die Welt der Künste eröffnet, mich als Feingeist und sensiblen Typen mit ihrem Wissen Schritt für Schritt besser gemacht, weil ich diese Dinge im Unterbewusstsein wahrgenommen, gespeichert habe – und irgendwann waren sie im Kreise von Künstlern da. Elvira ist für den Rest meines Lebens außer dem Fußball verantwortlich. Und das macht sie wunderbar.“

Sogar sein Schwiegersohn, der Schweizer Schlagersänger Baschi, erzählt Netzer fast belustigt, „ist durch alle sehr scharfen Kontrollen von Elvira gekommen, hat sie alle erfolgreich bestanden, bravourös“.

Der Fußballerlaufbahn des Günter N. folgte die fast noch größere Laufbahn als Manager des HSV mit drei Meisterschaften (1979, 1982, 1983), mit dem Europacupsieg 1983 als Krönung und dem Coup, dass er Franz Beckenbauer von Cosmos New York zurückholte in die Bundesliga, dass er mit Branko Zebec und Ernst Happel sensationell starke Trainer verpflichtete, Horst Hrubesch, Felix Magath und viele andere große Spieler entdeckte oder groß rausbrachte.

Der HSV-Manager 1983 mit seiner Elvira und dem Europapokal der Landesmeister. Seit 1987 sind die beiden verheiratet

Foto: WITTERS

Danach erlangte er von 1997 bis 2010, weit über die geplante Zeit hinaus, als ARD-Kommentator mit Gerhard Delling Kultstatus (mit dem Grimme-Preis honoriert). Die Frotzeleien der beiden wurden für die Zuschauer fast so wichtig wie das Spiel. Viele vergaßen, sich zur Halbzeit ein frisches Bier zu bunkern, weil sie Netzer an den Lippen hingen.

Beim Handel mit TV-Rechten und der Bandenwerbung arbeitete er für die Schweizer Agenturen „Infront“ und „CWL“ in höchsten Positionen nicht weniger erfolgreich, ehe er 2017 in den Ruhestand ging. Nach einer Operation am offenen Herzen um sechs Bypässe reicher („Diese Sausäcke von Kameraden spotteten, ich würde in der Reha erstmals im Leben Sport treiben“), mittlerweile relativ gut erholt.

Heute lebt er nun schon 34 Jahre in Zürich direkt am See und ist glücklich dort, nahe der Kronenhalle, seines geliebten Künstlertreffs – wenn er sich nicht gerade dreimal im Jahr auf Sylt vom Wind durchblasen lässt.

In der Garage steht nach wie vor ein Ferrari. In der Schweiz, wo nur 120 km/h erlaubt sind, ist Netzer sehr wohl erwischt worden, bittet darum, das Thema zu umkurven, weil er mittlerweile langsamere Autos fährt, im Winter einen Audi, sehr zur Freude von Baschi, der den Ferrari mittlerweile liebt.

Über allem, was er mit 80 vollbracht hat, wird immer der Fußballer Günter Netzer stehen. Einer, der sich, zuletzt zunehmend, auf Beerdigungen wiederfindet.

„Der Tod von Franz Beckenbauer hat mich natürlich ganz schwer belastet, so schnell hat er es wohl nicht erwartet“, sagt Netzer. „All diese Fälle haben mich sehr berührt. Weil es ja wie unmittelbares Familienleben war. Die Nationalmannschaft, der Verein. Die Dinge kommen sehr nahe. Doch sie haben mich nicht veranlasst, drüber nachzudenken, wie es mit mir aussieht. Das ist einfach so im Leben, das muss man akzeptieren. Ich freue mich nicht auf den Tod. Nur habe ich auch keine Probleme mit dem Tod.“

Heike Meier

Ich bin Heike, ein leidenschaftlicher Experte für Motorsport und Autor auf der Webseite Motor Kart. Als Teil des Teams liefere ich die neuesten Nachrichten aus der Welt des Motorsports mit strenger Objektivität. Meine langjährige Erfahrung und Begeisterung für Kartrennen ermöglichen es mir, fundierte und informative Artikel zu verfassen, die die Leser in die aufregende Welt des Motorsports eintauchen lassen. Meine Liebe zum Detail und meine Fachkenntnisse machen mich zu einer verlässlichen Quelle für alle Motorsportfans, die stets auf dem neuesten Stand bleiben wollen.

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